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"Kuckuck, Kuckuck, ruft's aus dem Wald..."

  • Autorenbild: Christa Berger
    Christa Berger
  • vor 3 Tagen
  • 37 Min. Lesezeit

Kuckuck (Cuculus canorus) Von Locaguapa - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=23230424
Kuckuck (Cuculus canorus) Von Locaguapa - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=23230424


Gestern Abend habe ich ihn heuer zum ersten Mal gehört – den Kuckuck! Wie von selbst blieb ich stehen und horchte. Und noch während sein Ruf durch den abendlichen Wald klang, kam mir der alte Volksglaube in den Sinn: Hast du beim ersten Kuckucksruf Geld in der Börse, wird das Jahr ein gutes – voll Glück und ohne Not. Also schnell die Hand in die Tasche – ja, zum Glück, ein paar Münzen waren da! Wenn das kein gutes Zeichen ist...!

Die Bedeutung des Kuckucks als ‚Volksvogel‘ zeigt sich allein schon darin, dass ihm im Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens 32 Seiten gewidmet sind. Seine Funktion und Bedeutung erstreckt sich von einem Frühlings- und Sommerboten über ein Symbol für Fruchtbarkeit und Gesundheit bis hin zu einem Deutungs- und Orakelvogel, einem Träger von Zauber- und Heilkraft, einem Vogel mit dämonischen und unheimlichen Aspekten, einem moralisch negativ bewerteten Vogel, einer Quelle kultureller Redensarten und Schimpfwörter, einem Wohlstands- und Geldsymbol bis zu seiner Rolle in Volksbräuchen und Kinderreimen. Wisst ihr beispielsweise, was „Guggascheckn“ bedeutet? Es ist ein mundartlicher Begriff für Sommersprossen.



Sommersprossen (auch Epheliden, Lentigines, in Österreich Gugaschecken, in der Schweiz Märzenflecken) sind kleine gelblich-braune Hautflecken, die vor allem bei hellhäutigen, blond- oder rothaarigen Menschen vorkommen. Früher galten Sommersprossen nicht als charmant, sondern als Makel – so sehr, dass es zahlreiche Bräuche gab, um sie zu vermeiden. In Potsdam etwa hieß es, man solle das erste Badewasser eines Kindes nicht bei Sonnenschein ausgießen, da es sonst Sommersprossen bekomme. Auch in Regionen wie der Oberpfalz, Schwaben, dem Vogtland, Berlin oder Schlesien war man überzeugt: Ein Kind, das im Regen getragen wird, bekommt Sommersprossen. Im 19. Jahrhundert gingen manche sogar so weit, spezielle Bleichmittel zu verwenden, um sie wieder loszuwerden.
Sommersprossen (auch Epheliden, Lentigines, in Österreich Gugaschecken, in der Schweiz Märzenflecken) sind kleine gelblich-braune Hautflecken, die vor allem bei hellhäutigen, blond- oder rothaarigen Menschen vorkommen. Früher galten Sommersprossen nicht als charmant, sondern als Makel – so sehr, dass es zahlreiche Bräuche gab, um sie zu vermeiden. In Potsdam etwa hieß es, man solle das erste Badewasser eines Kindes nicht bei Sonnenschein ausgießen, da es sonst Sommersprossen bekomme. Auch in Regionen wie der Oberpfalz, Schwaben, dem Vogtland, Berlin oder Schlesien war man überzeugt: Ein Kind, das im Regen getragen wird, bekommt Sommersprossen. Im 19. Jahrhundert gingen manche sogar so weit, spezielle Bleichmittel zu verwenden, um sie wieder loszuwerden.


Der Kuckuck – Frühlingsbote, Glücksbringer und Schelm in der Brauchkultur

Kaum ein Vogel hat die Fantasie der Menschen so sehr beflügelt wie der Kuckuck. Mit seinem markanten Ruf kündigt er nicht nur den Frühling an, sondern auch einen Reigen alter Volksbräuche, Redewendungen und Aberglauben. In diesem Beitrag widmen wir uns dem kulturgeschichtlichen Stellenwert des Kuckucks im steirischen Brauchtum.




Ein besonderer Vogel der heimischen Wälder

Der Kuckuck (Cuculus canorus) ist ein Zugvogel, der ab April aus seinen Winterquartieren in Afrika nach Mitteleuropa zurückkehrt. Sein markanter Ruf – „Kuckuck, kuckuck“ – macht ihn leicht erkennbar, auch wenn man ihn selten zu Gesicht bekommt. Besonders bekannt ist der Kuckuck für sein ungewöhnliches Brutverhalten: Er legt seine Eier in fremde Nester, meist von kleineren Singvögeln, und überlässt ihnen die Aufzucht des Nachwuchses. Dieses Verhalten hat ihm in der Volkskultur den Ruf eines listigen Schelms eingebracht.




Name, Aussehen und Verhalten eines ungewöhnlichen Vogels

Der Kuckuck (Cuculus canorus) ist einer der bekanntesten, aber auch geheimnisvollsten Vögel Europas. Seine Präsenz ist meist akustisch – durch seinen namensgebenden Ruf – und weniger visuell, denn der Kuckuck ist scheu und lebt oft versteckt in lichten Wäldern, Heckenlandschaften und an Waldrändern.


Körperbau und Aussehen

Mit etwa 32–34 cm Körperlänge ist der Kuckuck ungefähr so groß wie eine Taube, wirkt jedoch schlanker. Sein Gefieder ist auf der Oberseite grau-blau, die Unterseite ist hell mit dunklen Querstreifen. Dieser Brustbereich erinnert in der Musterung an einen Sperber – eine schlaue Täuschung, die kleinere Vögel verwirrt. Weibchen können eine rostbraune Variante aufweisen, oft mit mehr kontrastreicher Bänderung.


Der Name „Kuckuck“

Der deutsche Name leitet sich lautmalerisch von seinem typischen Ruf ab: "Kuckuck – kuckuck". Dieses zweisilbige Rufen ist charakteristisch für das Männchen im Frühjahr. Auch in anderen Sprachen basiert der Name oft auf dem Laut:

  • Englisch: Cuckoo

  • Französisch: Coucou

  • Italienisch: Cuculo

In der steirischen Mundart und im Volksmund taucht der Kuckuck ebenfalls als „Guggu“ oder „Kuckucksvogel“ auf. Auch im Liedgut und in Sprichwörtern ist er unter diesen Namen bekannt.


Brutverhalten – der „Kuckuckstrick“

Der Kuckuck ist ein sogenannter Brutschmarotzer – das Weibchen legt pro Saison etwa 10–25 Eier, jedes in ein anderes Nest von Wirtsvögeln wie Bachstelzen, Rotkehlchen oder Rohrsängern. Das Kuckucksküken schlüpft meist früher als die Wirtsvögel und wirft deren Eier aus dem Nest, um ungeteilte Aufmerksamkeit zu erhalten. Diese ungewöhnliche Strategie fasziniert Biologen ebenso wie Volkskundler – und hat dem Vogel den Ruf eines hinterlistigen Wesens eingebracht.


Der Kuckuck als Nestschmarotzer: Bildnachweis: Gemeinsame Kuckucke (Cuculus canorus) – Männchen (1), Weibchen (2), Junges (3), in ein Nest eines Rotkehlchens (Erithacus rubecula) eingezogen; mit Eiern (4–5). Lithographie aus Carl Hoffmanns Buch der Welt, Stuttgart, 18. Jahrhundert.
Der Kuckuck als Nestschmarotzer: Bildnachweis: Gemeinsame Kuckucke (Cuculus canorus) – Männchen (1), Weibchen (2), Junges (3), in ein Nest eines Rotkehlchens (Erithacus rubecula) eingezogen; mit Eiern (4–5). Lithographie aus Carl Hoffmanns Buch der Welt, Stuttgart, 18. Jahrhundert.



Symbolik und Volksglaube

Sein heimlicher Lebensstil, sein besonderer Ruf und seine „Unart“, das eigene Kind von anderen aufziehen zu lassen, machten den Kuckuck im Volksglauben zu einer Figur zwischen Naturwunder und moralischem Grenzfall. Er wurde mit Glück, aber auch mit Spott in Verbindung gebracht – etwa wenn man jemanden zum „Kuckuck“ jagt oder als Kuckuckskind bezeichnet.




Der Kuckuck in Liedern, Sprichwörtern und Redensarten

Kaum ein Vogel hat so viele Spuren in der Sprache, Musik und Volksdichtung hinterlassen wie der Kuckuck. Seine Präsenz in der Kultur verdankt er vor allem zwei auffälligen Eigenschaften: seinem charakteristischen, lauten Ruf – und seinem ungewöhnlichen Fortpflanzungsverhalten als sogenannter „Brutschmarotzer“.


Sprichwörter und Redensarten – Der Kuckuck als Sprachbild

Der Kuckuck tritt in vielen Redewendungen auf, oft im übertragenen oder sogar abwertenden Sinn:

  • „Jemandem ein Kuckucksei legen“ – bedeutet, jemandem heimlich oder hinterlistig etwas unterzuschieben.

  • „Scher dich zum Kuckuck!“, „Hol’s der Kuckuck!“, „Zum Kuckuck nochmal!“ – all diese Ausrufe ersetzen das Wort „Teufel“ durch „Kuckuck“. Dieses sogenannte Verhüllungswort wurde ab dem 16. Jahrhundert verwendet, da man glaubte, der Teufel würde durch die Nennung seines Namens herbeigerufen.

  • „Der Kuckuck ist los!“ – analog zu „Der Teufel ist los!“ als Ausdruck für Tumult oder großen Andrang.

  • „Weiß der Kuckuck…“ – steht für „Das weiß niemand“, also eine unbekannte oder rätselhafte Sache.


Gelege mit Kuckuckseiern. Das jeweils größte Ei ist das Kuckucksei. Von Grüner Flip - selbst fotografiert, Bild-frei, https://de.wikipedia.org/w/index.php?curid=3226940


Aberglaube und Lebensweisheiten

Der erste Ruf des Kuckucks im Frühjahr wurde auch als Orakel gedeutet:

  • Wer beim ersten Kuckucksruf Geld in der Tasche hat, wird im kommenden Jahr von Geldsorgen verschont bleiben.

  • Mancherorts glaubte man sogar: Wenn man in dem Moment auf das Portemonnaie klopft, bleibt es das ganze Jahr über gefüllt.

  • Eine andere volkstümliche Weisheit: Wer den Kuckuck hört, kann ihn fragen:„Kuckuck, Kuckuck, sag mir doch, wie viel Jahr leb’ ich noch?“ – Die gezählten Rufe gelten als Antwort. Diese Vorstellung findet sich in ähnlicher Form auch im niederdeutschen Raum („Kuckuck in Hewen, wo lang schall ik lewen?“).


Der Kuckuck in Liedern und Musik

In der Volksmusik hat der Kuckuck einen festen Platz. Bekannte Lieder sind:

  • „Kuckuck, Kuckuck, ruft’s aus dem Wald“ – ein weit verbreitetes Kinder- und Frühlingslied.

  • „Auf einem Baum ein Kuckuck saß“ – eine scherzhafte Volksweise.

  • „Der Kuckuck und der Esel“ – von Hoffmann von Fallersleben, thematisiert einen Gesangswettstreit.

  • In Des Knaben Wunderhorn tritt der Kuckuck als regelgelehrter Sänger auf, was Gustav Mahler in seinem Lied „Lob des hohen Verstands“ vertonte.

  • Auch in der klassischen Musik ist der Kuckuck präsent – etwa bei Beethoven (6. Sinfonie „Pastorale“), Leopold Mozart (Kindersinfonie) oder Vivaldi (Sommer). Die typische kleine Terz seines Rufs wurde musikalisch oft zitiert.


Frühlingszeit & Lebensfreude

Zwischen Ostern und Pfingsten erlebt auch die Natur ihren großen Wandel – Blüte, Vogelgesang, erste Ernten. Das Singen des Kuckucks, das Erwachen der Vögel und die Rückkehr der Zugtiere galten als Zeichen für Fülle, Fruchtbarkeit und Zukunft. Die Menschen achteten genau darauf, wann und wo sie den ersten Kuckuck hörten, denn darin lag nach alter Vorstellung eine Art Lebensanzeige für das kommende Jahr – sei es finanziell, gesundheitlich oder landwirtschaftlich.


Der Kuckuck in Alltagskultur und Recht

Der Kuckuck wurde nicht nur als Vogel oder Klangsymbol wahrgenommen – er fand auch Eingang in rechtliche Begriffe und den Alltag:

  • In Österreich (und früher auch in Deutschland) wird das behördliche Pfandsiegel auf gepfändeten Gegenständen umgangssprachlich als „Kuckuck“ bezeichnet.

  • Ein „Kuckuckskind“ ist ein Kind, das einem Mann fälschlich als leibliches Kind „untergeschoben“ wird. Der Begriff hat sich sogar auf andere Bereiche übertragen, etwa auf fälschlich zugewiesene Zitate.




Zwischen Ostern und Pfingsten

Die Zeit zwischen Ostern und Pfingsten gilt in vielen Regionen als die heiterste und lebensvollste Periode des Jahres. Nicht umsonst heißt es im Volkslied „Und jetzt gang i ans Petersbrünnele“:


„Zwischen Ostern und Pfingsten is’ die lustigste Zeit, wånn die Vogerln sche singan und der Kuckuck vü schreit.“

oder


"Und jetzt gang i ans Petersbrünnele und da trink i an Wein und da hör i an Guggu aus der Mostflaschen schrein."

Mostflaschen, früher in jedem Keller der Oststeiermark zu finden!




Osterzeit: 50 Tage der Freude

Die Osterzeit umfasst 50 Tage – beginnend mit dem Ostersonntag und endend mit dem Pfingstfest. In der christlichen Liturgie wird diese Zeit als eine einzige große Festzeit verstanden, die sich über sieben Sonntage erstreckt:

  1. Ostersonntag – das Fest der Auferstehung Christi

  2. Weißer Sonntag – traditionell der Tag der Erstkommunion3.–6. Sonntag der Osterzeit – geprägt von Evangelien über Erscheinungen des Auferstandenen, Himmelfahrt und die Verheißung des Heiligen Geistes

  3. Pfingstsonntag – der Abschluss, das Fest des Geistes und der Geburtsmoment der Kirche


Diese fünfzig Tage galten nicht nur liturgisch, sondern auch im Brauchtum als „lichte Zeit“. Die Arbeit auf dem Feld begann wieder, das Vieh wurde erstmals auf die Weide getrieben, und viele Bräuche, Feste und Lieder sind an diese Zeitspanne gebunden.



Die Kuckucksuhr

Die Kuckucksuhr ist ein klassisches Symbol der Schwarzwälder Handwerkskunst und hat sich zu einem weltbekannten Erkennungsmerkmal entwickelt. Ursprünglich in Deutschland, insbesondere im Schwarzwald, hergestellt, wurde die Kuckucksuhr mit ihrem charakteristischen Kuckuck, der regelmäßig aus der Uhr hervorspringt und seinen Ruf ertönen lässt, zu einem beliebten Sammlerstück. Sie war nicht nur ein funktionales Zeitmessgerät, sondern auch ein beliebtes Dekorationsstück, das in vielen deutschen Haushalten zu finden war.


 Kuckucksuhr, Deutsches Uhrenmuseum Furtwangen.
 Kuckucksuhr, Deutsches Uhrenmuseum Furtwangen.

Die Kuckucksuhr hat zudem symbolische Bedeutung. Der Kuckuck, der in regelmäßigen Abständen ruft, steht hier nicht nur für die Zeit, sondern auch für Frühling und Neubeginn, da der Kuckuck als ein Frühjahrsbote gilt. In vielen Kulturen ist der Kuckuck mit dem Thema der Natur, des Wachstums und des Neubeginns verbunden, und so spiegelt die Kuckucksuhr diese Symbolik wider. Ihre originelle Handwerkskunst und die charmante Mechanik haben sie über die Jahre zu einem beliebten Souvenir und einem Symbol der deutschen Tradition gemacht.




Der Kuckuck im Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens

Hier ist dein Text mit korrigierter Rechtschreibung und Grammatik:

„Kuckuck“ – Der Kuckuck hat durch das auffällige Wesen, das er zur Schau trägt, und die mancherlei, ganz aus der Reihe fallenden Lebensgewohnheiten, die man an ihm beobachten kann, von jeher die Aufmerksamkeit in starkem Maße auf sich gezogen. Eine reichliche und in ihrer Auswirkung fast unübersehbare Anzahl abergläubischer und irrtümlicher Vorstellungen ist mit ihm verbunden. Diese finden ihren Ausdruck in den verschiedensten Formen volksmäßiger Überlieferung, wie Sitte, Brauch, Lied und Sage, und werden ergänzt durch das wissenschaftliche vogelkundliche Schrifttum vom Altertum an bis in die jüngsten Jahrhunderte.


I.

In den meisten indogermanischen Sprachen führt der Kuckuck einen Namen, der den Klang des von ihm ausgestoßenen Rufes widerspiegelt. Eine Ausnahme machen die germanischen Dialekte, die den Kuckuck einst „3auka“ nannten, ein Wort, das in den skandinavischen Sprachen als schwedisch „gök“, dänisch-norwegisch „geg“, isländisch „gaukur“ noch heutzutage lebendig ist und auch im Nordenglischen als skandinavisches Lehnwort in der Form „gowk“ weiterlebt. Aber auch das altenglische Wort wies ein ähnliches Wort als Benennung unseres Vogels auf, ebenso das althochdeutsche und mittelhochdeutsche „gouh“ bzw. „gouch“, ein Wort, das heute zwar noch verstanden wird, zur Bezeichnung des Vogels aber nicht mehr verwendet wird. Nur wenn wir annehmen, dass die sonst geltenden Lautgesetze in diesem Fall Störungen erlitten haben, ist es möglich, das urgermanische „3auka“ auf die sonst im Indogermanischen geltenden Namensformen des Kuckucks zurückzuführen. Gesicherter ist daher eine Erklärung des Wortes, die in ihm eine Ableitung von der indogermanischen Wurzel „gheu“ (sanskr. „havati“ – „er ruft“, altisländisch „geyja“ – „bellen, spotten“) sieht. Danach hätte also der Germanen den Kuckuck, dem ja ein eigentlicher Gesang fehlt, zwar nicht nach dem Klang, wohl aber nach der Auffälligkeit seiner Stimme als Ruf- oder Schrei-Vogel bezeichnet. Das angestammte „Gauch“ verlor sich im Deutschen unter dem Einfluss eines allmählich von Norden nach Süden siegreich vordringenden mittelhochdeutschen „kukuk“. In der Überlieferungszeit wurden in Oberdeutschland auch allerlei Misch- und Koseformen geschaffen. In England wurde der angestammte Name des Kuckucks durch das „cocu“ der normannischen Eroberer verdrängt.

Alle diese Ausdrücke bezeichnen von den vielen Kuckucksarten, die es gibt, lediglich cuculus canorus, da im Gebiet der germanischen Kultur nur diese eine Art vorkommt. Erwähnt sei hier, dass im isländischen Volksglauben Vorstellungen, die sonst im Norden mit dem Kuckuck verknüpft sind, auf den „hrossagaukur“ (die Bekassine) übergegangen sind.


II.

Wenn der Kuckuck im Frühling zu uns kommt, soll er als schlechter und leicht ermüdender Flieger die lange Reise auf den Schultern des Wiesels zurücklegen. Seine Ankunft wird vielfach zu einem ganz bestimmten Tag erwartet; so gilt in Deutschland der 14. oder 15. April als Kuckuckstag. Man nimmt auch an, dass der Kuckuck von einem gewissen Tag an (3. April, 9. April, 11. April, 20. April, 22. April, 23. April, 24. April, 27. April, 1. Mai) rufen muss; tut er es nicht, so berstet er. Um zu Stimme zu kommen, benötigt er eine bestimmte Zehrung: Sauerklee, Vogeleier, grünen Hafer oder Eichenlaub.

Über die nun bald einsetzende und beim Kuckuck in so eigentümlicher Form sich äußernde Sorge um Nachwuchs waren viele irrige Anschauungen verbreitet. Zur besseren Beurteilung des Folgenden sei erwähnt: Das Kuckucksweibchen beobachtet die in Betracht kommenden Vögel beim Bauen und wird durch ein frisch errichtetes Nest zum Legen angeregt. Hat die auserkorene Ziehmutter ihr zweit- oder drittletztes Ei gelegt, so legt das Kuckucksweibchen ihr Ei in das fremde Nest, wobei sie vorher ein Nestei berausnimmt und dieses während des Legens vielfach im Schnabel behält; das Männchen lenkt unterdessen durch offenes Dasitzen die Aufmerksamkeit der Pflegeeltern auf sich. Das Kuckucksei entspricht nach Farbe und Zeichnung im Durchschnitt den Eiern der Vögel, bei denen der Kuckuck schmarotzt, doch trifft dies nicht in allen Fällen zu. Das Kuckucksweibchen legt in einem Frühjahr bis zu 18 Eier, jedes in ein anderes Nest.

Für die selbst heute noch nicht völlig geklärte Frage, warum der Kuckuck nicht selbst brütet, hatte man schon vom Altertum her mancherlei angebliche Erklärungen: Der Kuckuck sollte wegen der Kälte seiner Natur zum Brutgeschäft untauglich sein; er müsste seinen Jungen eine andere, zartere Nahrung verschaffen, als er für sich selbst zu suchen gewohnt sei; er sei ein halber Bastard und solche Vögel brüteten nicht; außerdem sei er zu geil, um sich zu paaren. Oder man nahm an, es seien psychologische Gründe daran schuld: der Kuckuck wisse, dass er zu schwach zum Brüten und Ätzen sei, dass er seine Brut – infolge seiner Feigheit – gegen Angriffe nicht verteidigen könnte; die anderen Vögel würden aus Hass gegen ihn seine Brut überhaupt nicht aufkommen lassen.

Schon die antiken Schriftsteller bemühen sich, die Vogelarten aufzuzählen, denen der Kuckuck Eier in die Nester zu legen pflegt; die zuerst bei Aelian auftretende Bemerkung, es seien dies solche Vögel, deren Eier den seinen gleichen, wurde vielfach nachgeschrieben und bis in die jüngste Zeit wahrgehabt. Der oben geschilderte Vorgang beim Legen konnte natürlich leicht zu der Vorstellung führen, der Kuckuck saufe die Eier des fremden Geleges aus. Wie es sich damit auch verhalten mag: Dem Volk gilt der Kuckuck als ein Eierräuber schlimmster Art, und diese angebliche Eigenschaft hat auch zu allerlei Volksreimen Veranlassung gegeben. Manche Schriftsteller berichten auch, der Kuckuck nehme aus dem fremden Nest so viele Eier heraus, als er eigene hineinlege, oder er zerstöre und zerbreche die fremden Eier. Merkwürdig lange konnte sich auch die irrige Meinung halten, das Kuckucksweibchen lege nur ein einziges Ei.

Dass der Kuckuck ein recht verliebter Vogel ist, hat man zu Recht beobachtet. Das Volk spinnt diese Beobachtungen weiter und besingt vor allem in seinen Liedern den Kuckuck als Freiersmann oder Liebeswerber, und es sei erwähnt, dass diese Lieder z. T. althergebrachte Hochzeitslieder sind und in dem Wunsch nach reichlichem Kindersegens enden. In anderen Liedern besingt man den Kuckuck als Ehemann, der sich zum mindesten ein halbes Dutzend Weiber anschafft. Auf einen anderen Ton ist ein Gottscheer Liedchen gestimmt, wie der Kuckuck aus Kummer über die Treulosigkeit seines Schatzes stirbt.

Hier ist die korrigierte Version des Textes:

Über Brut und Aufzucht ist Folgendes festgestellt: Da das Kuckucksei nicht als letztes Ei in das fremde Nest gelegt wird (siehe oben), außerdem anscheinend eine etwas kürzere Brutzeit als die übrigen Eier benötigt, schlüpft der Kuckuck als erster aus. Mit 10 Stunden erwacht in ihm der Trieb, alles, was sich im Nest befindet, hinaus zu befördern; dieser Trieb dauert an, bis er vier Tage alt ist, dann ist er jedoch auch Alleinherrscher im Nest. Um die hinausgeworfenen eigenen Jungen kümmern sich die Eltern nicht, sie widmen sich lediglich der Aufzucht des unersättlichen Nestinsassen.

Auch um diesen Vorgang hat sich Missdeutung und Aberglaube in reichlichem Maße gerankt. Schon bei Psuedo-Aristoteles finden sich verschiedene Erklärungen zusammengetragen, weshalb die Stiefgeschwister des jungen Kuckucks dem Tode geweiht sind: die Zieheltern würden ihre eigenen Jungen hinauswerfen, wenn der Kuckuck groß geworden sei; die Mutter töte ihre eigenen Kinder und gebe sie dem Kuckuck zu fressen; da dieser schöner sei, wolle sie von ihren eigenen Jungen nichts mehr wissen; der alte Kuckuck komme und fresse die jungen Vögelchen; der junge Kuckuck schnappe seinen Stiefgeschwistern alle Nahrung weg, sodass diese verhungern müssten; oder er töte sie, weil er stärker sei. Angemerkt sei, dass selbst der so scharf beobachtende Lottinger nicht daran glauben will, dass der junge Kuckuck seine Geschwister aus dem Nest wirft und meint, der alte Kuckuck fördere bereits die Eier aus dem Nest, in das er zu legen gedenkt.

Das schlimmste, was man dem Kuckuck andichtete, war, dass er, groß und aufgebläht geworden, seine eigene Ziehmutter auffresse oder zu Tode beiße; man prägte aus dieser Vorstellung die Redensart „undankbar wie ein Kuckuck“ und das Sprichwort „du lohnst mir, wie der Kuckuck der Grasmücke“. Genannt werden muss hier noch ein Tiroler Aberglaube: wenn ein Rotschwänzchen unpaar ausbrütet, so schlüpfe aus einem Ei ein Kuckuck; und in der Schweiz glaubt man, wenn ein Kuckuck ein Ei in ein Rotkehlchennest lege, so entschlüpfe diesem ein „Röteligeier“.

Über das Leben des Kuckucks weiß man weiterhin zu erzählen, dass er die meisten Vögel zu Feinden hat. Es soll dies daher rühren, weil er ihre Gelege zerstöre oder auch, weil er dem Habicht gleiche. Er wird daher von den Vögeln bekämpft, ist jedoch feig und flüchtet sich vor ihnen; wird er verfolgt, so setzt er sich, als schlechter Flieger, einem Weiher auf den Rücken und lässt sich von diesem davontragen. Wie zum Weiher soll der Kuckuck jedoch ein besonderes Verhältnis auch zum Wiedehopf haben. Schon Konrad von Megenberg will in seiner Jugendzeit beobachtet haben, dass die beiden Vögel abwechselnd einander zusangen; da beider Vögel Rufe eine gewisse Ähnlichkeit miteinander haben, glaubt man, der Wiedehopf wolle dem Kuckuck nachsingen, und man nennt den Wiedehopf daher auch „Kuckucksküster“. Da die Bleibezeit des Wiedehopfs der des Kuckucks ähnlich ist, nennt man ersteren auch „Kuckuckslakai“; auch „Kuckuckskönig“ nennt man ihn, sowie „Ossekuckuck“. Sein Nachtquartier schlägt der Kuckuck jeden Abend auf einem anderen Baum auf. An einem der Wochentage singt er nicht, und sein Singen soll er nach einem merkwürdigen Schweizer Aberglauben mit dem Schwanz bewerkstelligen. Im Mittelalter sagte man ihm nach, er wage, aus Angst, es könnte dadurch Nahrungsmangel für ihn eintreten, nicht einmal ein ganzes Blatt auf einmal aufzuzubrennen (vgl. Kröte Anm. 24), und auch heute noch gilt der Kuckuck im Volksglauben als ein Geizhals. Ihn auszuspotten ist gefährlich: Kinder, die dies tun, ziehen sich dadurch Sommersprossen zu; im Ausland hält man noch andere Folgen für unvermeidlich. Ist die Zeit des Brütens vorüber – volkstümlich ausgedrückt: sieht der Kuckuck die erste Kommandel – so verstummt er. Das muss neun Tage vor Jakobi geschehen, andernfalls verstummt er.

Bevor er mit Rufen aufhört, isst er sich dreimal an Kirschen satt; dieses reichliche Kirscheneessen bedingt seine Heiserkeit. Nach einer anderen Anschauung soll er die Stimme bereits verlieren, wenn er die erste „Grießfrucht“ frisst; es heißt auch, er könne nicht mehr schreien, wenn er schwarze Kirschen antrifft. Eine andere Annahme ist, er müsse gegen den längsten Tag hin schweigen, weil er um diese Zeit keine Vogeleier mehr finde, mit denen er seinen Schnabel salben könne. Ebenso unrichtig ist natürlich, dass er um Johanni „von dem vielen Geschrei, wodurch er seinen Hals erhitzt“, die Bräune bekomme und damit die Stimme verliere.

Natürlich hat auch das frühzeitige Verschwinden des Kuckucks Anlass zu allerlei Fabeleien gegeben. Er soll von den Würmern gefressen werden, eine Anschauung, die auf den alten Aberglauben zurückgeht, dass der Kuckuck von den Zikaden verzehrt werde, die sich aus seinem Speichel (siehe Kuckucksspeichel) bildeten. Nach siebenbürgischem Aberglauben ernähre er sich von jungem Haber. Sehr verbreitet ist die Annahme, der Kuckuck verwandle sich im Herbst in einen Habicht oder Sperber; auch von einem Aar oder Raben ist gelegentlich die Rede. Abgewandelt lautet diese Vorstellung auch, der Kuckuck werde nach 3, 7 oder 9 Jahren zum Habicht oder er sei nur das erste Jahr ein Kuckuck, im zweiten werde er zum jungen Adler, „Taubenstessl“ oder Stoßgeier, der seine Brüder und Schwestern auffrisst, um am Ende sich zum Hennengeier zu wandeln. Alte Leute des Böhmerwaldes sollen sich übrigens den Kuckuck wie eine Art Katze vorstellen.

Man glaubt aber auch, der Kuckuck halte sich den Winter über in Baum- und Felshöhlen versteckt und liege dort wie räudig, seiner Federn entblößt; er soll sich in seinem Versteck von Vorräten ernähren, die er den Sommer über dort aufgespeichert hat. Man nimmt aber auch an, er halte dort einen Winterschlaf wie Bären und Schlangen. Man wusste sich zur Bekräftigung dieser Anschauung eine Geschichte von einem Zürcher Bauern zu erzählen, der einst im Winter seinen Ofen mit einem Baumklotz heizte; da hörte er auf einmal den Kuckuck im Ofen schreien. Im Frühling soll dann der Kuckuck sein Versteck als eines der ersten Tiere wieder verlassen.

Man verleiht dem Kuckuck sogar die Unsterblichkeit: Jahr für Jahr ist es immer derselbe Vogel, der im Walde ruft.

Hier ist die korrigierte Version des Textes, die den grammatikalischen und stilistischen Fehlern Rechnung trägt.


III.

Was es am Kuckuck Merkwürdiges zu beobachten gibt, weiß das Volk vielfach durch Erdichtung einer kleinen Geschichte zu deuten.

a) Weshalb ruft der Kuckuck ständig seinen eigenen Namen und was hat sein eintöniger Ruf zu bedeuten?

Man erzählt: Als einst unser Herrgott den einzelnen Vögeln ihre Namen austeilte, ging der Kuckuck leer aus. Erbost sagte er da: „So will ich nun der Kuckuck sein und ewig meinen Namen schreien“. Man gibt auch vor, einst habe der Kuckuck den Star gefragt, was man vom Gesang der einzelnen Vögel halte. Als der Star berichtete, wohl lobten die Leute die Nachtigall, die Lerche und die Amsel, den Kuckuck habe er aber nie erwähnen hören, da entgegnet dieser: „Dann muss ich mich selbst preisen“. Nahe lag es, die Stimme des Kuckucks als Suchruf zu deuten. Einst soll ein Bauer seine Kinder, um sich ihrer zu entledigen, in den Wald geführt und sie Beeren sammeln geheißen haben. Wenn er dann wieder in der Nähe sei, werde er ihnen „guck, guck!“ zurufen und sie wieder zurückbringen. Die Kinder verhungerten, und der Bauer wurde zur Strafe in einen Vogel verwandelt, der ewig „guck, guck!“ rufen muss. Ähnliches erzählt man von einer Bäuerin, die für ihre Untat außer¬dem der Fluch traf, nie mehr eigene Kinder pflegen zu dürfen und sich scheu vor Tieren und Menschen im Baumlaub verstecken zu müssen. Auch auf ein Mädchen, das ihr Kind aussetzen wollte, wird die Erzählung übertragen.

Ein Teil dieser Erzählungen ist legendhaft. Einmal soll unser Herrgott spät abends durch den Wald gegangen sein. Hungrig fragte er einen grauen Vogel, wo er wohl ein Stückchen Brot erhalten könne. Spottend sagte der Vogel, im Dorf werde er nur Schimpfworte erhalten. So geht es auch, und als unser Herrgott unverrichteter Dinge zurückgekehrt ist, lacht ihn der Vogel aus: „Guck! Da habt ihr's, wärst Ihr hier oben sitzen geblieben, so wäret Ihr nicht noch müder und hungriger geworden. Guck, Guck!“ Da verfluchte unser Herrgott den Vogel, immer „guck! guck!“ rufen zu müssen. Ferner wird erzählt: Als unser Herrgott einst auf Erden bei einem Bäuerinnen bettelte, habe sich diese in die Ecken des Zimmers gestellt und gerufen: „Kuckuck!“. Da ihr dies angeblich Spaß machte, habe sie unser Herrgott in einen Kuckuck verwandelt, mit dem Fluch, dass sie und ihre Nachkommenschaft ewig „kuckuck“ rufen müssten. Nach einer alten, schon in Practicus' Weltbeschreibung befindlichen Sage soll der Kuckuck dagegen einst ein Bäckerknecht gewesen sein, der zur Zeit der Teuerung armen Leuten von ihrem Teig stahl, indem er ihn, wenn Gott ihn im Ofen segnete, herauszog und bezupfte, dabei „guckuck“ rufend. Anderen Inhalts ist eine Fluchsage der Schweiz: Ein hungernder Knabe wollte einem Weibe ein Brötchen abkaufen; dieses konnte aber gar nicht genug Kreuzer dafür bekommen, sodass der Knabe schließlich voller Verdruß ausrief: „So flüg und rüef Guggu“. Eine mecklenburgische Fluch-Sage lässt den Kuckuck einen Schüler gewesen sein, der nichts lernte, sodass ihn seine Mutter verwünschte. Noch heutigentags weiß er nichts anderes als ein „kuckuck“. In Norddeutschland, aber auch in Skandinavien, ist eine auf mehrfache Tierstimmdeutung beruhende Erzählung verbreitet, der Kuckuck habe einst mit zwei anderen Vögeln eine Kuh besessen; als diese einmal auf einer niedrigen Wiese ins Gras fällt, tut jedes der Tiere einen Ausruf, den es bis jetzt noch beibehalten hat: Der Kuckuck lässt ein „kruepruet“ ertönen.

b) Weshalb hat der Kuckuck ein fahles, gesprenkeltes Gefieder?

Er war einst ein mehlbestaubter Müller, der zur teuren Zeit den armen Leuten das Mehl und Brot vorenthielt (vgl. oben unter a).

c) Warum baut der Kuckuck kein Nest?

Als unser Herrgott einst den Vögeln ihre Wohnsitze anwies, hatte der Kuckuck an allen Plätzen etwas auszusetzen. Zornig heißt Gott, ihm selbst einen Platz zu wählen. So irrt der Kuckuck heute noch heimatlos umher, legt seine Eier in fremde Nester und kennt seine eigenen Kinder nicht. Da er sich aufs Nestbauen nicht versteht, gilt er den Leuten als dümmster Vogel. Die Goldammer wollte ihn einst in die Lehre nehmen, wurde aber stolz und höhnend von ihm abgewiesen.

d) Warum verliert der Kuckuck im Sommer seine Stimme?

Christus wurde einst von den Juden verfolgt und versteckte sich in einer Morchel. Der Kuckuck verriet das Versteck, und wütend stachen die Juden mit ihren Spießen darauf ein. Zur Strafe darf der Kuckuck seither nur den Frühling mit Freuden begrüßen; naht der Sommer, so schwindet seine Stimme.

e) Warum zieht der Kuckuck im Sommer weg?

Man hat beobachtet, dass der Kuckuck verschwindet, wenn das Siebengestirn am Himmel auftaucht. Daraus hat sich folgende Legende entwickelt: Christi Jünger baten einst bei einem Bäcker oder Müller um Brot; der Bäcker verweigerte es ihnen, die Bäckerin mit ihren sechs Töchtern trugen Christus jedoch heimlich Brot zu; zur Belohnung wurden letztere als Siebengestirn an den Himmel versetzt, während der hartherzige Bäcker zum Kuckuck verwünscht wurde. Die Geschichte wird auch, ohne den legendären Einschlag, von einem im Unfrieden lebenden Ehepaar erzählt. Da das Verschwinden des Kuckucks auch mit der Kirschenernte zusammenfällt, erzählt man, der Kuckuck fliege um diese Zeit weg, weil sein Ehemann einst an einem Kirschenkern erstickte. Auch mit dem Beginn der Heuernte fällt der Wegzug des Kuckucks mancherorts zusammen, ein Umstand, der bei vielen Völkern zur Schaffung weiterer deutender Tiermärchen geführt hat. Im deutschen Sprachgebiet scheinen sie jedoch selten zu sein.

Im Ausland sind noch eine Reihe weiterer hierhergehöriger Erzählungen mit vielfach neuen Zügen zu belegen.


IV.

Der Kuckuck ist der mit Freuden willkommen geheißene Frühlingsbote; heißt es doch: Wenn der Kuckuck schreit, ist der Frühling nicht mehr weit oder auch:

Wenn der Kuckuck und die Lerche schreien, dann beginnt die schöne Sommerzeit.

Wohl mag schon im Februar warmer Sonnenschein und Lerchengezwitscher des Winters Abschied vortäuschen: Verbürgt ist der Lenz erst, wenn einmal der Kuckuck ruft, denn der ist ein „Sommervogel“. Dann soll man auch die Handschuhe zu Hause lassen: Zieht man sie an, so läuft man Gefahr, dass der Kuckuck etwas hineinmacht.

„Frühlingsvogel“ nennt man da und dort den Kuckuck, und nicht nur, dass sein Ruf und der Lenz üblicherweise in der abendländischen Lyrik fast untrennbar miteinander verbunden sind, man pflegte sogar in der Kirche beim Maifest den Kuckucksruf auf der Orgel ertönen zu lassen und nach altdeutschem Recht den Frühlingsbeginn festzulegen durch die Formel: „Wann der Kuckuck ruft“.

Nach westfälischer Sitte pflegte, wer zuerst den Kuckuck hatte rufen hören, dem Begegnenden nicht „Guten Tag“ zu wünschen, sondern ein frohes „Der Kuckuck hat gerufen“ zu verkünden. Er bekam ein Ei, das er sich kochte, und der Tag wurde festlich begangen.

Der Augenblick, in dem man zum ersten Mal die Stimme des Kuckucks vernimmt, hat aber überdies im Volksglauben eine ganz besondere Bedeutung: Wie so viele andere, einen neuen Zeitabschnitt einleitende Stunden, ist er vorbedeutend für die Zukunft und besitzt außerdem, als strahle in ihm die nun zu neuem Leben erwachte Natur ihre Kraft aus, eine zauberhafte Gewalt.

Am verbreitetsten in dieser Hinsicht ist der Aberglaube, dass man das Jahr über keinen Mangel an Geld leiden werde, wenn man solches beim ersten Kuckucksruf bei sich trägt; führt man dagegen keines mit sich, so wird man für das kommende Jahr ständig in Geldnot stecken. Es heißt ferner, man solle bei diesem Anlass das Geld schütteln, umdrehen oder auf den Beutel klopfen, damit es das Jahr über nicht ausgehe bzw. sich vermehre; auf diese Weise vermag man sogar das große Los zu gewinnen. Vereinzelt tritt die Vorstellung auf, man solle den Kuckuck schreien lassen, wenn er zur Linken ruft, und im Geld nur „rühren“, wenn seine Stimme zur Rechten laut wird; ferner, dass das Geld ungerade sein müsse oder man, wenn nicht Geld, so doch ein Messer bei sich haben müsse. In Sachsen und den Rheinlanden wird im Zusammenhang mit der genannten Vorstellung die Anweisung gegeben, sich im Grase zu wälzen.

Dass das Volk dem Kuckucksruf einen geheimnisvollen Einfluss auf den Geldbesitz zuschreibt, ist auch aus einer Anzahl weiterer abergläubischer Vorstellungen ersichtlich. Wer den Kuckuck zuerst hört, findet einen Geldbeutel. Schreit der Kuckuck, wenn man die Geldbörse öffnet, so ist einem Reichtum beschieden. Beim Kuckucksruf verdoppelt sich das Geld in der Börse. Zählt man sein Geld beim Ruf des Kuckucks, so vermehrt es sich schnell. Ruft der Kuckuck auf einem Baum, an dem man vorbeigeht, so ist dies ein Zeichen dafür, dass man Geld im Sack hat. Wird beim Überführen des Kommawagens (der Brautausstattung) der Kuckuck seine Stimme erschallen lassen, so ist das nach Ansicht der Böhmerwaldbauern eine verheißungsvolle Vorbedeutung für den künftigen Wohlstand der Braut; die Beteiligten rühren dabei im Geld zum Zeichen, wie sehr sie den Wohlstand der jungen Frau wünschen. In der Schweiz antworten die Kinder dem Kuckuck: „Geld gnue, dumme Bue.“

Die genannten Vorstellungen vom Geld werden z. T. auch auf das Brot angewendet. Man soll letzteres beim ersten Kuckucksruf bei sich haben und darauf klopfen, so wird es einem nie ausgehen. Führt man Geld (und Brot) beim ersten Kuckucksruf bei sich, so bedeutet dies ein glückliches Jahr. Es heißt ferner, wenn man Geld in der Tasche und genügend Speise im Magen beim ersten Kuckucksruf habe, so bedeute dies für das laufende Jahr gutes Gelingen der Geschäfte; hat man jedoch Hunger, so wird man auch das ganze Jahr über sich mit ihm plagen müssen; hat man in genanntem Augenblick nichts bei sich, so wird man im kommenden Jahr auch nichts vor sich bringen.

Man schreibt dem ersten Kuckucksruf noch eine ganze Anzahl weiterer vorbedeutender und zauberhafter Eigenschaften zu. Er zeigt eine Verlobung an. Ertönt er vorwärts vom Hörer, so geht es auch das ganze Jahr vorwärts, andernfalls tritt das Gegenteil ein. Kommt der Ruf in der Richtung gegen das Herz, so muss nach bayrischem Aberglauben der Betreffende im Laufe des Jahres sterben. Man soll beim ersten Kuckucksruf nicht barfuß sein, sonst bekommt man böse Füße; man soll sich jedoch auf grünen Rasen stellen, dann wird man während des Jahres nicht sterben. Man soll sich ferner im Gras wälzen oder einen Purzelbaum schlagen, so bleibt man das Jahr über von Kreuzweh verschont; ein rascher Sturz ins Gras kann einem auch binnen Jahresfrist ein Patenkind verschaffen. Man soll ferner das Getreide schütteln, dann wird es einem an Glück nicht fehlen, sich rasch etwas wünschen, was dann in Erfüllung gehen wird, oder etwas unter dem Fuße suchen, was einem dann Glück bringen wird. Hebt man einen Stein auf, so wird dieser zum „Glücksstein“. Nach Schweizer Aberglauben soll der erste Kuckucksruf kranke Ziegen heilen. „Reißt man recht um“, dann hat man das ganze Jahr über zur Arbeit Kraft.

Überaus weit verbreitet ist der Aberglaube, der Kuckuck künde mit seinem Rufen die Zahl der Lebensjahre, wenn man ihn darum fragt. Teilweise wird für dieses Orakel verlangt, dass es beim ersten Kuckucksruf ausgeführt werden müsse; vereinzelt wird auch die Morgenzeit gefordert. Im Allgemeinen dürfte dieses Lebensorakel jederzeit, solange nur der Kuckuck ruft, in Anspruch genommen werden.

Bereits Cäsarius von Heisterbach weiß eine Erzählung aufzutischen von einem Klosterbruder, der sich vom Kuckuck die Zahl der ihm noch verbleibenden Lebensjahre weissagen ließ; da er 22 Rufe erhielt, wollte er 20 Jahre in irdischen Freuden verbringen, die restlichen zwei der Buße weihen, aber schon nach zwei Jahren stirbt er als Beute des Teufels. Auch Hugo von Trimberg erhebt im „Renner“ warnend seine Stimme:

„Wie lange aber wer sin fröuden spil,

Daz wei^ der gouch, der im vür war

Hat gegutzet hundert jahr.“

Auch Aldrovandus spricht in seiner „Ornithologia“ von der genannten Gepflogenheit, ist aber im Zweifel, ob sie ausgeübt werde „per ludum, aut ex veteri aliqua superstitione“.

In theologischen Schriften tritt vom Mittelalter an bis herab in ziemlich späte Zeit eine Erzählung auf von einem alten Weib, das, schon in den letzten Zügen liegend, nicht an den Tod glauben will und zur Bekräftigung ihre fünf Finger ausstreckt, der Kuckuck hatte ihr fünfmal zugerufen, ihr also noch fünf Lebensjahre zugesichert.

Für die Frage an den Kuckuck nach der Zahl der Lebensjahre gibt es verschiedene Reime, deren Reichweite z. T. landschaftlich begrenzt ist. Ein verhältnismäßig früher Beleg steht in Zorns „PeünoTheologie“ und lautet:

„Will ich dir wohl warten,

Gut will ich dir wieder geben.

Wie viel Jahr du mich leben?“

Ich füge noch einige charakteristische Reime aus neuerer Zeit bei:

Kuckuck, van Hawen.

„Wo lang acball ick Uwen?“

Kuckuck, Speckbuhk.

„Wie lange sali ich laawen noch?“

Kuckuck, Knecht.

„Wie viel Jahr ich leben soll?“

„Belüg mich nicht, Betrüg mich nicht.

Sonst bist du der rechte Kuckuck nicht!“

Kuckuck

„Lieber Kuckuck, sog mir doch.

Wie viel Jahre leb ich noch?

Gibst du mir die Antwort nicht,

Bist du der rechte Kuckuck nicht!“

Kuckuck.

„Schrei mir meine Jahre an! Schrei mir sie in Deckelkräbe,

Wie viel Jahr darf ich noch leben?“

(Dreimal zu sagen, dann die Rufe zu zählen.)

„Guck, guck, bo hoo!“

„Wie lang lebe ich noch?“

Im Erzgebirge achtet man bei dem Orakel auch auf die Richtung, aus der der Kuckucksruf kommt: Kommt er von Osten oder von rechts, so ist es besser, als wenn man ihn von Nord oder von links vernimmt. Bemerkenswert ist ferner, dass die Kinder in der Lüneburger Heide während der Antwort des Kuckucks den Samenstand eines Löwenzahns wegpusten.

Motivisch ist das Lebensorakel des Kuckucks übrigens auch im Schnaderhüpfl und im volkstümlichen Lied verwendet.

Angefügt muss die Anschauung noch werden, dass jemand, der den Kuckuck nicht rufen hört, noch im selben Jahre sterben werde; dass aber, wer ihn als erster im Frühling vernimmt, auf ein langes Leben hoffen darf. Bei der ungemein starken und länderweiten Verbreitung des vorliegenden Aberglaubens ist es merkwürdig, dass er in einzelnen Landstrichen, wie in Guggisberg und dem Prättigau fehlen soll.

Heiratslustigen Mädchen muss der Kuckuck durch sein Rufen weissagen, wie lange es noch dauern wird, bis sie unter die Haube kommen. Auch für dieses Orakel gibt es bestimmte Reime, von denen einige angeführt seien:

Kuckuck auf grüne Plan.

„Wie lang soll ich noch Jungfer gehen?“

Kuckuck hinter der Hecke.

„Wie lang soll ich graben und blecken?“

Kuckuck im Sonnenschein.

„Wie lang soll ich Jungfer sein?“

Kuckuck, Knecht.

„Sag mir recht, wie lange ich leben soll, ohne Mann und ohne Kind.“

„Ohne Kuckucksring?“

Kuckuck, Knecht.

„Sag mir recht, wie lang's noch währen soll, dass ich ledig bleibe?“

Kuckuck.

„Zähl mir deine Eier.“

„Zähl mir drei aus und ei, wie lang muss ich noch ledig sein?“

Ruft der Kuckuck gar nicht mehr auf die Frage, so kommt die Ehe noch im gleichen Jahre zustande oder ist für immer aussichtslos; sind es sehr viele Rufe, so deutet man sie als Monate. Bemerkenswert ist, dass die Mädchen in Dietzenbach bei Frankfurt a. M. während des leiernden Abgangs des Liedchens: „Kuckuck, Knecht, sag mir's recht, sag mir's wohl, wie viel Jahr soll ich leben, soll ich noch ein Jungfer sein?“ einen Vegetationszauber ausüben, indem sie sich im Grase wälzen.

Es fragen aber auch die Junggesellen den Kuckuck, wie lange sie noch auf ihre Braut warten müssen; die Witwer, wie lange sie noch Witwer bleiben müssen. Man will ferner von ihm wissen, wann man Vater oder Gevatter stehen wird. Außerdem gibt er die Zahl der Kinder an, auf die man in der Ehe hoffen darf, wenn man ihn fragt:

Kuckuck, Speckboek.

„Do werdech nicht schwien.“

„Wie viel werde ich Kinder kriegen?“

Man errechnet sich auch aus der Anzahl der Rufe den Anfangsbuchstaben des Namens des künftigen Ehepartners. Sogar als politischer Prophet muss sich der K. betätigen.

Auch aus dem zufällig gehörten K.sruf zieht man Schlüsse auf die Zukunft. Wird er am Anfang vernommen, verkündet er Böses, oder man deutet ihn günstig, wenn er rechts, übel, wenn er links ertönt. Vernimmt man ihn morgens beim Verlassen des Hauses, glaubt man, bald eine Neuigkeit zu erfahren. Der Ruf des K. auf dem Weg zum Liebchen vernommen, ist unwillkommen. Hört man den K. links von sich schreien, so muss man noch im selben Jahre sterben. Ein recht schlimmes Zeichen ist es auch, wenn man den K. noch abends nach dem Betläuten hört: Unglück bringt es ebenfalls, wenn der K. „lacht". Schreit er dagegen nur dreimal, so geht ein dabei gehegter Wunsch in Erfüllung, und hat man das Glück, unter einem Baum zu stehen, auf dem ein K. ruft, so kann man drei Dinge sich wünschen, die dann in Erfüllung gehen.

Bei vielen Völkern lebt noch der Aberglaube, dass eine besonders starke, meist als unheilvoll erachtete Kraft vom K.sruf ausgeht, wenn man ihn, sei es nun überhaupt das erste Mal im Jahr, oder doch jeweils am Tage nüchtern, vernimmt. Im deutschen Kulturgebiet ist diese Anschauung allerdings stark zurückgegangen, doch glaubt man noch in Schleswig-Holstein, der K.sruf sei für den, der ihn nüchtern hört, ein Todesbote. In Pommern und der Schweiz deutet man ihn als „Hungerbotschaft". Der Mecklenburger jedoch glaubt sich in solchem Falle vor dem Biss toller Hunde gefeit. Dass es sich bei diesem Aberglauben um eine auch in Deutschland ziemlich alte Vorstellung handelt, geht aus einem Gedicht Walters von der Vogelweide hervor, der seinen Widersachern Böses wünscht mit dem Fluch: „Hiure muezens beide esel und den gouch / Gehoeren, 4 si enbi^en sui".

Der K. ist als ein scheuer Vogel bekannt. Kommt er trotzdem einmal in die Nähe menschlicher Niederlassungen, so nimmt man dies als ein Zeichen drohenden Unheils. Es soll in diesem Fall Teuerung bevorstehen. Kommt er in einen Garten, so soll im zugehörigen Haus ein Mädchen zu Fall kommen. Besonderen Schrecken ruft er hervor, wenn er sich aufs Dach setzt oder über dem Kuhstall ruft; man befürchtet da unter anderem den Tod eines Angehörigen, vor allem, wenn bereits ein Kranker im Hause liegt. Todesfälle befürchtet man auch, wenn der K. im Dorf dreimal schreit, vors Fenster kommt, in der Nähe eines Hauses ruft, ja schon, wenn er nur über oder ins Dorf fliegt. Ganz selten werden solche Vorfälle als glückverheißend angesehen; als ein Glück betrachtet man es allerdings, wenn er ins Haus fliegt und in der Vorratskammer den Speck anpickt, denn dann wird dieser das ganze Jahr nicht alle. Das ist umso erfreulicher, als um die Zeit, wenn der K. ruft, der Speck rar ist.


V.

Der K. gehört zu den Vögeln, aus deren Verhalten man Schlüsse auf Witterung und Wachstum zieht.

Wie man annimmt, tritt bei seinem Erscheinen nochmals ein Rückfall in Schneewetter ein. So befürchtet man auch Schlechtes für die Witterung des Jahres, wenn er besonders frühzeitig eintrifft. Er soll erst kommen, wenn er sich im Laub verstecken kann; trifft er ein, ehe noch die Bäume ausgeschlagen haben, dann wird es in diesem Jahre frühzeitig Winter und er selbst muss rascher schweigen. Die Kühe geben wenig Milch, das Schmalz wird teuer, die „Pybolitzen" bleiben leer, jedoch werden viele Eier erwartet. Auch im germanischen Norden erwartet man schlechte Zeit, wenn der K. auf bloßem Ast ruft. Ruft er vor dem 4. April, so gibt es ein hungriges Jahr, und wenn er vor dem 15. ruft, so muss er sich wegen schlechten Wetters noch 14 Tage lang in einem hohlen Baum verstecken. Ruft er, ehe die Tauben gurren, dann wird es nochmals kalt.

Freilich herrscht auch der Glaube, ein früher K.sruf bringe ein gutes Jahr oder es gäbe wenigstens einen guten Frühling, wenn der K. frühzeitig im März sich hören lasse bzw. viel im März ruft; der Frühling ist dann nimmer weit. Ruft er erst nach dem 15. April, so schlägt der Roggen auf. Schreien im Frühling viele K., so folgt ein nasses Jahr; schreit der K. viel um Mittag, so verkündet er einen warmen Frühling. Wenn er sich das erste Mal hören lässt, schließt man aus der Anzahl seiner Rufe auf den Preis zur Erntezeit.

Auch aus der Zeit seines Verschwindens zieht man Schlüsse. Man beobachtet vor allem sein Verhalten um die Zeit der Sommersonnenwende. Um Johanni soll er schweigen; tut er es nicht, so ist Missernte zu befürchten: „Der K. kündet teure Zeit, wenn er nach Johanni schreit." „Schreit nach Johanni der K. noch lang, wird's dem Bauer um seine Ernte bang." Ein anderer Spruch lautet: „Wenn der K. nach Johanni singt, einen nassen Herbst er uns bringt." Weinländer besorgen einen sauren Wein. In Tirol schließt man auf einen kalten Winter, dem entgegen steht aber die Ansicht, dass es bald anfangen zu frieren, wenn der K. bereits an Johanni aufhöre zu schreien; rufe er bis Peter und Paul, so gäbe es einen warmen Herbst. Auch sagt man: „Soviel Tage, als der K. nach Johanni schreie, soviel Tage komme kein Frost nach Michaelis (29. IX.)." Das Verhalten des K.s um Johanni gibt auch Aufschluss über den Getreidepreis. Schreit er zwei oder drei Tage nach Johanni, so soll der Roggen kaum zwei oder drei Groschen gelten; schreit er länger hernach, so soll er mehr gelten. Oder auch: Schreie er in diesen Tagen wenig, so wird das Korn wohlfeil sein, tue er viel, so soll es teuer werden. So viel Tage, als der K. nach dem längsten Tage schreit, um so viel Batzen wird das Brot aufschlagen.

Auch andere Tage als Johanni werden prophezeiend mit dem K.sruf in Verbindung gebracht; so soll Teuerung zu erwarten sein, wenn der K. lange nach Fronleichnam noch sich hören lässt. In der Steiermark glaubt man, dass es in der Adventwoche zuschneie, wenn der K. lange nach Peter und Paul ruft.

Auch unabhängig vom Kalenderdatum weiß man, dass das Schreien des K.s für die Witterungsvorhersage zu werten ist. Sein Ruf bzw. „Lachen" soll Regen bedeuten; nur vereinzelt glaubt man, sein Singen bringe gutes Wetter. Gutes Wetter erwartet man auch, wenn er auf dem Heckpfahl sitzt. Je näher er bei den Häusern schreit, desto früher erwartet man Schnee. Kommt er zu den Häusern heran, so gilt dies im besten Fall als Zeichen eines herannahenden Witterungsumschwunges; viel häufiger jedoch befürchtet man Unwetter und Regen, Kälte und Hagel.


VI.

Sieht ein Teil der bisher genannten Vorstellungen im K. einen Vogel mit Eigenschaften und Kräften, die bereits stark über das Natürliche hinausreichen, so fehlt es auch nicht an solchen, die dies zum Geisterhaften und Dämonischen übersteigern. So nehmen nach dem Volksglauben gespenstische Wesen zuweilen K.sgestalt an. In der „Guggem“ heißt eine Schweizer Flur; dort haust der Vogel „Gugguhu“ und krächzt des Nachts wie ein kranker Mensch; kein Jäger kann ihn erlegen, seit Jahrhunderten ist es stets das gleiche Geschöpf. Man erzählt ferner von einem verwunschenen Wesen, das manchmal als schöner Jüngling sich zeigt, sonst aber in K.sgestalt umgeht. Auch der wilde Jäger kann sich in einen K. verwandeln: Als solcher hat er einst in Schlesien ein Kind in einen Zaubergarten gelockt. Auch ein augenverblendender Kinderschreck zeigt sich als K.

Ferner stellt man sich zuweilen auch die Schutzgeister der Markung, vielleicht auch die der Almen, in dieser Erscheinungsform vor. Angeführt sei auch, dass Gespenster, die Schatzgräber zu betrügen suchen, sich des K.srufs bedienen. In Anhalt hält man den K. für ein überirdisches Wesen, das die Menschen neckt und betört, die Rat von ihm wollen. Vielleicht liegt gleichfalls die Vorstellung von dem dämonischen Charakter des K.s der alten Geschichte zugrunde, dass ein Mann sich erhängt habe aus Furcht, er müsse zum K. werden.

Wir müssen noch weiter unten darauf zu sprechen kommen, dass man den Teufel vielfach mit dem Ausdruck „K.“ bezeichnet. Hier sei angeführt, dass man in gewissen Gegenden im K. einen Teufelsvogel, wenn nicht gar Satan selbst erblickt, weshalb der Wanderer sich bekreuzigt, wenn er seinen Ruf vernimmt. Man soll daher auch keine verfänglichen Fragen an den K. richten. Nächtlicher K.sruf gilt in Tirol als „bedenkliches Aber“. Man erzählt sich vom K., er weihe den Wiedehopf in Satanskünste ein und nennt ihn selbst „des Teufels Küster“. In einem 1539 zu Nürnberg gedruckten Bibel-Liederbuch wird erzählt, wie der Teufel an Fastnacht in eine Jungfrau fährt; es heißt von ihm: „hat sich im Haus lassen sehen, gleich wie ein Guckguck schreit.“

Im Aberglauben des Auslandes sind noch deutlichere Belege für den K. als vogelgestaltige Seele zu finden.


VII.

Mehrfach kamen in den vorausgehenden Kapiteln Anschauungen zur Sprache, die dem K. als einem Vogel des Frühlings und der Fruchtbarkeit eine gewisse Macht über Wachsen und Gedeihen in der Natur zuschreiben. Von hier aus ist es kein großer Schritt mehr, im K. eine Art Vegetationsdämon zu sehen; allerdings sind überzeugende Belege hierfür aus deutschem Kulturgebiet nur sehr spärlich beizubringen.

So weiß Praetorius von einem gespenstigen Wesen, dem Katzenveit, zu erzählen, den er „den rechten Baumherm“ nennt. Einmal baute sich eine Saufgesellschaft zu Pfingsten Hütten aus Laub. Über diese Plünderung ärgerte sich der Katzenveit und machte sich durch allerhand Spuk unliebsam bemerkbar. Das erste, was er tat, war, dass die Zecher den K.sruf aus dem Laube heraus zu hören bekamen.

Eine uralte und über viele Länder verbreitete Sitte ist es, zu Weihnachten das Herdfeuer durch einen besonderen Holzklotz, den Christblock, zu speisen. Diese Sitte herrscht u. a. auch auf Gotland, und zwar dient hier zur Feuerung ein bis zu 7 Ellen langer Baumstamm, der „Gräupack“, der öfters bis zum Erscheinungsfest durchhalten muss. Seine verkohlten Reste dienen, wie andernorts, zur Förderung des Wachstums in Stall, Garten und Feld. Es heißt nun, man dürfe den Gräupack nicht völlig verbrennen, sonst fliege ein Vogel heraus; kurz ehe der Stamm ausgebrannt ist, kann man ihn rufen hören: es ist ein K. Ergänzend sei bemerkt, dass die Gotländer auch sagen, im Julblock halte sich ein Waldgeist („Bysen“) auf. Vielleicht erweist eine Erzählung aus dem Luxemburgischen, wonach in einem Julklotz einst ein K. habe zu singen angehoben, als jener warm wurde, einen dem skandinavischen ähnlichen Glauben auch fürs deutsche Kulturgebiet; möglich ist ferner, dass die bereits oben genannten Erzählungen von dem überwinternden K., welcher aus einem ins Feuer geschürten Klotz herausflog, als eine rationalistische Umformung einer auf Dämonenglauben beruhenden Anschauung zu werten sind.

Anderes ist freilich recht unsicher. So wollte Mannhardt die bereits von Plinius erwähnte Sitte, säumige Winzer mit dem K.sruf zu necken, durch die Eigenschaft des K.s als eines Frühlingsdämons erklären. Noch fraglicher ist, ob der K. infolge der genannten Eigenschaft in der Schweiz die Rolle des Ostereierlegens übernommen hat.

Vom außerdeutschen Kulturgebiet lassen sich allerdings einige weitere Belege, nach denen der K. als Vegetationsdämon aufgefasst zu werden scheint, beibringen.


VIII.

Infolge der verschiedenen dämonischen Eigenschaften, die man dem K. zuschreibt, ist es erklärlich, dass er bei mancherlei Zauber eine Rolle zu spielen hat.

Federn des K.s finden Verwendung, wenn ein Schütze sich Freikugeln bzw. eine unfehlbar treffende Flinte verschaffen will. Wenn man in Norddeutschland schüchternen Freiem rät, ein Ei oder die Feder eines K.s mit sich zu führen, so dürfte darin eine Art Liebeszauber zu erblicken sein. Anderes, so namentlich gewisse anlässlich von Hochzeiten geübte Gebräuche, wird als ein auf der im vorangegangenen Kapitel geschilderten Eigenschaft des K.s beruhender Fruchtbarkeitszauber zu deuten sein. So versteckte man in der Brautkammer außer dem Haushahn auch einen K. und in Schaumburg befand sich auf dem Stab des Hochzeitsprechers ein solcher. In diesen Zusammenhang ist wohl auch zu stellen, wenn auf den Halligen und in Hannover ein „K.stanz" gerade bei Hochzeiten getanzt wird und man bei solchem Anlass Lieder singt, in denen der K. eine Rolle spielt.

Im Ausland finden sich noch weitere Vorstellungen von Zauberhandlungen, die in Verbindung mit dem K. stehen.


IX.

Pflanzen, die nach dem K. benannt werden, gibt es eine Unmenge. Vielfach sind es solche, die frühzeitig blühen und daher, wie der K., Frühlingskünder sind. Die betreffenden Benennungen erstrecken sich mehrfach nicht nur über das gesamtgermanische Sprachgebiet, sondern greifen auch aufs Romanische über. Da es doch recht zweifelhaft ist, in welchen Fällen den einzelnen Namen eine tiefere Bedeutung zuzumessen ist, sei hier von einer Aufzählung abgesehen; an Hand von Marzoll lässt sich überdies leicht eine Übersicht gewinnen, dort sind auch verschiedene auf Aberglauben beruhende Beziehungen des K.s zur Pflanzenwelt (Fruchtbarkeit, Erotik, Weissagung, Gewitter) namhaft gemacht.

Nur einiges wenige sei hervorgehoben. In vielen Sprachen wird der Sauerklee (Oxalis acetosella) als K.sbrot bezeichnet; wir hatten schon oben Gelegenheit, auf den oselpreußischen Volksglauben hinzuweisen, nach welchem der K. von dieser Pflanze essen muss, um Stimme zu bekommen; es heißt, sie sei seine Lieblingsnahrung. An manchen Pflanzen kann man im Frühjahr den speichelähnlichen Schaum einer Zikade wahrnehmen, den das Volk für K.sSpeichel hält; diese Pflanzen (vor allem Cardamine pratensis, auch die rote Lychnis flos cuculi) tragen daher ebenfalls den Namen K.sblume. Die Flecken, die sich auf den Blättern mancher Knabenkraut-(Orchis-)arten befinden, schreibt man dem K. zu, auch für diese Pflanze ist die Benennung K.sblume weit verbreitet; hier kann außerdem Geschlechtliches mit hereinspielen.


X.

Eine sympathetische Beziehung besteht zwischen dem K. mit seinem gesprenkelten Gefieder und den Sommersprossen; diese heißen daher auch Guckerschecken oder K.s-Sprecklein. Kinder sollen sie bekommen, wenn sie den K. ausspotten oder man glaubt, Sommersprossige habe der K. ins Gesicht gelacht oder sie mit seinen Exkrementen angespritzt. Will man die Sommersprossen loswerden, so muss man beim ersten K.sruf an einen Teich gehen, sich waschen und dazu sprechen:

Kuckuck, ich rufe dich,Meine Sommersprossen warten auf dich.

Oder man spricht den Reim:

Kuckuck, ich höre dich rufen,Abwasche mich meine Sprussen,Daß se dich bestehnUn mich vergehn.

In der Steiermark versteht man unter „Guckerschecken“ die Leberflecken, welche die Kinder erhalten sollen, wenn sie um die Zeit des K.schreis entwöhnt werden; ferner erzählt Rosegger von einem Mädchen, das um die Zeit, wenn der K. schrie, eine Anzahl dunkler Sternchen im Gesicht zu haben pflegte, weshalb boshafte Leute sie die kleine „K.sdim“ nannten.

Der K. ist auch in einer Reihe von Rezepten vertreten. So preist Plinius K.skot in Wein genommen als Mittel gegen Hundswut, was ebenso fleißig nachgeschrieben wurde wie die anderen Angaben dieses Verfassers, dass ein K. in einem Hasenbalg eingenäht und umgebunden Schlaf verschaffe. Gepulverte K.sasche soll gut sein gegen Magenschmerzen, in Fieberanfällen, bei Fallsucht und anderweitigen Krankheiten; dieselbe in warmem Wein eingenommen, war ein beliebtes Mittel gegen Zipperlein und Gliederschmerzen. Gegen Fallsucht kocht man das Baumzweiglein, auf dem der K. gerufen hat, in Wasser. Nicht ganz klar ist das Heilverfahren, das Brevinus Noricus in einem Gedicht auf den Aberglauben erwähnt.


XI.

Bereits weiter oben wiesen wir mehrfach darauf hin, daß über die Lebensweise des K.s manche irrtümliche Anschauung verbreitet ist. Bei der starken Beachtung, die man dem Vogel schenkt, und der Neigung breiter Schichten, die Handlungsweise von Tieren in sittlichem Sinne aufzufassen, lebt im Volke ein teilweise völlig unberechtigtes Bild von der Wesensart des K.s, das zudem eine starke Auswirkung auf unsere Sprache ausübt.

Gewiß beruht manche auf den K. bezügliche Redensart auf richtiger Beobachtung, so wenn an einer Stelle des Nibelungenliedes das Wort „gouch“ im Sinne von „Bastard“ angewendet wird oder wenn man eine schlecht sorgende Mutter als „K.smutter“ bezeichnet. Wenn man in der Schweiz eine weibliche Person von auffallender geistiger oder leiblicher Eigenschaft mit dem Namen unseres Vogels benennt oder in Schleswig-Holstein ein „Blitzmäder“ eine K.dem heißt, so hängt dies wohl mit dem auffälligen Wesen des K.s zusammen. Seine starke Geilheit führte dazu, Buhler mit seinem Namen, verliebte Närrinnen mit dem Ausdruck „Gäuchin“ zu bezeichnen und von Buhllicdern als von „Gauchliedern“ zu reden; ferner sowohl die männlichen als die weiblichen Geschlechtsteile und die Schamhaare mit dem Namen K. zu belegen; außerdem galt dieser Name auch als Schimpfwort für Huren. Auf richtiger Beobachtung der Paarungsgewohnheiten des K.s beruht auch, wenn das Wort K. die Bedeutung von „Hahnrei“ annimmt, im Gegensatz von lat. „cuculus“, das als Schelte für einen geilen, auf Abwege geratenen Ehemann gebraucht werden konnte.

Eine unberechtigte moralische Wertung seines Benehmens liegt aber bereits vor, wenn man schlaue Menschen, die einen übervorteilen oder Schelme überhaupt „K.“ oder Gauche heißt, und ganz unberechtigt ist, unter letzterem Worte einen Feigling zu verstehen und von einem „undankbaren K.“ zu sprechen.

Das auffällige und verliebte Gebaren des Vogels faßt man als Ausfluß einer närrischen Veranlagung; „den gouch treiben“ ist daher soviel wie „Possen treiben“, „Narretei“ kann mit „Gaucherei“ bezeichnet werden, „Narrenwerk“ mit „Gauchwerk“, so wie „Gauch“ – schon in althochdeutscher Zeit – ein Ausdruck für „Narr“, „Tor“ ist, eine Verwendung des Wortes, die sich auch außerhalb des Deutschen nachweisen läßt. Von solcher Bedeutung ging wohl die Verwendung des Namens unseres Vogels als Familienname (und Übername) sowie, wenigstens zum Teil, als Ortsschelte aus. Noch schlimmer ist es, Kretins mit „Gauch“ zu bezeichnen.

Der K. muß daher seinen Namen für allerhand Wertloses oder auch Anfechtbares hergeben. Einmal auf dem Gebiete der Nahrungsmittel: Wittenbergisches Bier nennt man „Guckuck“, angeblich vom Fälschen mit zugegossenem Wasser; „guggem“ nennt der Schweizer das Sauerwerden der Milch oder sagt in diesem Fall von ihr, er habe den Gugger drin. Ebenso sagt der Münchner von einer hohlen Semmel, der K. sei drin. In einem in das Wunderhorn eingegangenen Spottlied auf die Backnanger, die des Schneiders Geiß als Rehbock verzehrten, heißt es, sie hätten den Guckuck für eine Taube gegessen. Im Elsässischen bedeutet „vergöuchen“: verfaulen, im Schweizerdeutschen „verguggem“: zugrunderichten, „guggern“: mißlingen.

Mit dem Namen unseres Vogels bezeichnet ferner der Schwabe ein dürres, verwahrlostes, krüppeliges Füllen, der Bayer ein kleines Schulkind, das zu Ostern zwar beichten, aber nicht kommunizieren darf, der Schleswig-Holsteiner einen Aufseher bei Arbeiten, von denen er selbst nichts versteht. Diese Verächtlichkeit, mit der man den K. ansieht, findet ihren Ausdruck außerdem in der Heraldik: er ist hier der Gegensatz zum stolzen Adler, bzw. bezeichnet man letzteren, wenn man über ihn spotten will, als K. Belege dafür finden sich in Liedern der Freiheitskriege, indem man von Napoleon nach seinem Sturze sang: „Fort, fort, du stolzer Vogel itzt, / Hier hast du keine Ruh! / Du jetzt kein Adler nicht mehr bist, / Jetzt bist du ein Kucku.“ Oder auch: „Da haben die Russen den Adler verjagt / Und haben aus ihm einen K. gemacht.“ Ferner sangen früher in Hannover die Kinder auf den preußischen Adler folgenden Reim: „Es kam ein Vogel geflogen / Ins hannoversche Land, / Hat geraubt und gestohlen, / Er wird K. genannt.“ In Bayern nannte man früher den preußischen Groschen „Guckezergroschen“, das Stempeln mit dem Adler nannte man „den preußischen K. aufdrücken“, den roten Adlerorden betitelte man „gelber K.“ In der Reichswehr heißt der Reichsadler auf der Mütze „K.“, ebenso spricht man vom Adler auf den Pfändungsmarken als vom „blauen K.“ und von der Tätigkeit des Gerichtsvollziehers als vom „K. ankleben“.

Am tiefsten abgesunken ist der K. in der Hinsicht, daß sein Name euphemistisch für den Teufel verwendet wird; „geh zum K.“, „der K. soll dich holen“ sind allgemein gebräuchliche Redensarten; die Beziehungen zum Dämonischen, über die wir weiter oben uns schon ausließen, mögen diesen Sprachgebrauch unterstützt haben; es sei jedoch ausdrücklich betont, daß er sich nicht übers 16. Jahrhundert zurückverfolgen läßt.


XII.

In einem früheren Stadium mythologischer Forschung glaubte man, unsere heidnischen Vorfahren hätten im K. den Boten oder gar die Verkörperung eines Gottes gesehen, und es ließe sich dies auf Grund des mit dem K. verbundenen Aberglaubens noch heute durchschauen und beweisen. Am nachdrücklichsten hat Wilh. Mannhardt diese Annahme (in dem öfters zitierten Aufsatz ZfdMyth. Bd. 3) zu stützen gesucht und gelangt dabei zu dem Ergebnis, es müsse Donar gewesen sein, der nach dem Glauben unserer Altvordern in K.-Gestalt zu erscheinen pflegte, oder auch der mit ihm in gewissem Sinne verwandte Gott Fro (s. d.). Freilich sind gerade jene Beweise, welche die Verbundenheit des K. mit Gestalten der höheren Mythologie dartun sollen, die schwächsten der ganzen Abhandlung; so z. B., wenn Mannhardt aus den Anschauungen über Wetter und Witterung, die sich an den Vogel knüpfen, auf dessen Zugehörigkeit zum Wettergott, der über alles Wachstum waltet, schließt, oder wenn ein Kinderreim, in dem erzählt wird, der K. sei im Bierschaum ertrunken, aus den Erzählungen über die großen Trinkleistungen Thors erklärt wird. Selbst für die naturgeschichtliche Tatsache, dass der K. seine Eier in fremde Nester legt, weiß Mannhardt eine mythologische Parallele beizubringen: den Glauben an Wechselbälge; da solche von Zwergen herstammen, letztere aber als Elben Gefährten Donars seien, so ist auch der Anschluss an den Gott gewonnen. Genau so deutet ihm die Verwandlungsfähigkeit zum Habicht auf eine elbische Eigenschaft und damit wieder auf Donar oder auf Frö. Der Ausdruck: „Dich soll der K. holen!“ soll auf einen Aufenthalt bei Donar nach dem Tode hinweisen. Gewisse Kinderreigen, in denen der K. genannt ist, will Mannhardt als Reste chorischer Aufführungen von religiösem Inhalt betrachtet wissen. Wenngleich es sich bei den genannten Beweisen um Trugschlüsse handelte und auch das Bild, das man sich von Donar und gar Frö machte, mehr oder minder trügerisch war, so lässt sich doch verstehen, dass der K. immerhin noch längere Zeit in einschlägigen Abhandlungen als Göttervogel gebucht wurde; bedauerlich ist aber, dass dies z. T. noch in neuester Zeit geschieht.

Noch ein zweiter Trugschluss muss genannt werden. Man glaubte, der K. stehe im Dienste der hl. Gertrud; da man ferner annahm, jene Heilige sei eine Stellvertreterin Freyas oder Idunas, so war dadurch eine weitere Anknüpfung an den heidnischen Götterhimmel gewonnen. Man achtete dabei freilich nicht auf den Umstand, dass die hl. Gertrud lediglich infolge der Lage ihres Gedenktages zum Frühling in Beziehung trat, hierin also ein nachträglicher Vorgang zu sehen ist und nicht eine unmittelbare Übernahme alten Erbes. Weiter folgerte man, durch die Christianisierung sei der K. mit jenem des Teufels gleichgesetzt worden.

Umso sicherer ist seine Bedeutung als Frühlingsbote und Frühlingsbringer. Dem Zauber, der in dieser Hinsicht von seinem Rufe ausgeht, wird das Menschenherz immer wieder von neuem unterliegen; und mit der Empfindung des Frühlings, die er so eindringlich wachruft, wird sich die von neuem Leben und Sprießen, von Liebe und Glück verknüpfen. Für den einfachen, naturverbundenen Menschen ergibt sich da von selbst der Schluss, dass dieser merkwürdige Vogel eine bestimmende Macht über diese allbegehrten Güter besitze, und diese Anschauung rief als zeugende Kraft einen großen Teil jener vielgestaltigen abergläubischen Vorstellungen ins Leben, über die wir auf den vorausgehenden Seiten zu berichten hatten.

Ich möchte noch beifügen, dass die einzige Stelle, aus der wir über eine mythische Rolle des K. aus germanischer Überlieferung etwas erfahren, nicht danach aussieht, als hätten unsere Vorfahren im K. den Vertreter eines Gottes oder einen Gott selbst gesehen. Paulus Diaconus berichtet nämlich, es sei, als man nach der Wahl dem langobardischen König Hildebrand der Sitte gemäß eine Lanze gereicht habe, ein K. herbeigeflogen und habe sich auf deren Spitze gesetzt. Einige Weise schließen daraus: „ejus principatum inutilem fore“.

Wir werden also kaum annehmen dürfen, dass der K. einst zu einem Heidengotte in Beziehung stand und, wie man meinte, ein Göttervogel war.



Quellen

HOFFMANN-KRAYER, E. & BÄCHTOLD-STÄUBLI, H. (1927): Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens. (10 Bände), in der Reihe Handwörterbücher zur deutschen Volkskunde, De Gruyter.







 
 
 

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